Rede zum 27. Januar – Gedenken an Rita Sprengel

Wir möchten diesen Moment nutzen, um auch den Widerstandskämpferinnen in den KZs zu gedenken.

Die Geschichte der Solidarität im Widerstand der kommunistischen Frauen in Ravensbrück lässt sich in Namen Rita Sprengel zeichnen.

Rita Sprengel wurde 1907 im heutigen Sowetsk geboren. Sie wuchs in einem sozialdemokratisch-bürgerlichen Umfeld auf, kam jedoch früh in ihrem Studium in Kontakt mit der kommunistischen Studentengruppe Rote Studentengruppe in Königsberg. 1928 trat sie der KPD bei, nachdem die SPD dem Panzerkreuzbau zustimmte. Rita widmete sich der Öffentlichkeitsarbeit, Bildung und Agitation, trat als Rednerin für die Partei auf. Als geschulte Anwältin arbeitete sie in Berlin juristisch an Arbeitskämpfen, jedoch erschwerte die Männer-dominierte Branche ihr die Arbeit erheblich. Am Tag einer Verhandlung des BVG-Streiks 1932 erlebte sie die erste antisemitischen Übergriffe gegenüber ihrer jüdischen Kollegen. Diese Zeit zeichnet auch den Anfang der Zerschlagung der KPD. 1933, im Januar wurde sie in ihrer Wohnung verhaftet und im Konzentrationslager Moringen 10 Monate lang inhaftiert. Ihre Entlassung verstärkte ihren Antifaschismus erheblich, weshalb sie sich trotz Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann komplett dem illegalen Widerstand widmete. 1941 im Dezember versucht Rita zwei jüdischen Genossen die Flucht in die Schweiz zu ermöglichen, woraufhin sie August 1942 durch erneuten Verrat im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert wird. Diese Erfahrung teilt sie mit vielen jungen Kommunistinnen, die durch die gezielte Zerschlagung der Widerstandsstrukturen durch Polizei und Gestapo den Inhaftierungen nicht entgehen konnten. Als sie in Ravensbrück ankommt, sind bereits 7000 Frauen dort gehalten, 1600 Frauen wurden schon durch Gas ermordet.

Für Rita zeichnet Ravensbrück das “Höllenkonzert”, so bezeichnet sie es läufig in ihrer Autobiografie. Ravensbrück zeichnet einen Ort von Terror und Tod, männlicher Überherrschaft, Rassismus und Misogynie. Oft bezeichnet sie ihren Kampf als dreifach: “als Antifaschistin gegen die nationalsozialistische Herrschaft, als Frau gegen die männliche Dominanz in ihren Organisationen und ihrem Milieu und zudem gegen die verinnerlichte Annahme, Frauen hätten aus ihrem Leben wenig zu erzählen, oder nicht die entsprechenden Fähigkeiten dazu.”.

Schon in Mohringen schreibt Rita Sprengel über die Erfahrungen der kommunistischen Kollektivität, trotz Konfliktlinien mit und Abgrenzung von sozialdemokratischen Inhaftierten. An erste Stelle setzte sie eine kollektive Solidarität, was sie schnell zur “Blockältesten” machte. So konnte sie durch ihr diszipliniertes und freundliches Auftreten die Unsicherheiten des Direktors und der Aufseherinnen zu Gunsten ihrer Genossinnen nutzen.

Ravensbrück hingegen, als das zentrale NS-Frauen-KZ bestand bis Ende 1945 aus 30 Baracken, kontrolliert von SS-Männern und Aufseherinnen, porträtiert eine extremere Form der Gewalt. Neben Zwangsarbeit für Texled und Siemens war Ravensburg ein Ort der geschlechtsspezifischen Gewalt. Rita schreibt in ihrer Biografie von Demütigung durch SS, durch Entkleidung, Abnahme jeglichen Besitzes, Rasur der Körperhaare, kaltes Duschen, entmenschlichende Begutachtung und Verhöre von SS-Männern. Häftlingskleidung und -nummer radierten die Identität der Frauen aus, sie wurden entindividualisiert. Sie beschreibt sadistische Haltung der SS-Männer, die sich an perversen Fragen und Erniedrigung in Form von sexueller Nötigung erfreuten, besonders gegenüber gebrechlichen Frauen. Eine Genossin Rita Sprengels, Orli Wald schreib “Damit er mich leben ließ, habe ich ja sagen müssen.”, als Schwerkranke in der Lagerhaft.

Die Zwangsarbeit in Bordellen stellte für viele Frauen einen verdorbenen letzten Hoffnungsschimmer dar: ihren Körper zu verkaufen mit dem Versprechen nach 6 Monaten aus dem KZ entlassen zu werden.

Die Gemeinschaft bot Komfort und Zusammenhalt bei doch so extremer psychischer Belastung, trotz der Kälte, der mangelhaften Ernährung, der Ungewissheit, den Selbstmordversuchen, der ständigen sexuellen Gewalt und Folter der SS.

Anfänglichen war Rita Sprengel sehr isoliert in ihrer Haft. Sie war der Erniedrigung der Aufseherinnen, und zudem sich selbst, ausgesetzt, und wurde durch ihre Zurückhaltung für ein SS-Spitzel gehalten. Die Genossenschaftlichkeit bot ihr eine Brücke zurück zu ihrer politischen Persönlichkeit, die Haltung und Kraft. Rita übernahm in Ravensbrück eine führende Rolle für ihre Mitgefangenen. Der SS hatte besonderes Interesse an den deutschsprachigen Kommunistinnen für ihre bürokratischen und organisatorischen Fähigkeiten. Die privilegierte Stellung ermöglichte eine limitierte Form der Selbstverwaltung der Lager als Blockälteste und Häftlingsärztin. So konnte die Organisation des verdeckten Widerstandes und Schutz des Kollektivs vor Strafen oder Ermordung von SS beständig bleiben. Krankheiten wurden vorgetäuscht, um lebensgefährliche Arbeit zu verhindern, mit anderen Häftlingen wurde gegen den SS paktiert. Ihre kollektiven Sabotagehandlungen flogen jedoch auf. Ritas Tod wurde nur umgangen durch Ilse Hunger, die sie 1944 auf die Transportliste in das Außenlager Dresden setzte. Nach dem Überleben in Ravensbrück schreibt Rita immer wieder von der politischen Rolle ihres Überlebens: die Partei und die ideologische Überzeugung des Widerstandes verhalfen ihr da zu überleben, wo das persönliche Leben abgestorben war, zugleich habe es ihre Überheblichkeit als Partei-Funktionärin gebrochen. 1947 schloss sich das “Komité der Ravensbrücker” zusammen, wo die überlebenden Frauen einen Raum für Traumaverarbeitung und politische Praxis für Öffentlichkeitsarbeit errichteten.

In der Rückkehr zu sozialistischen Politik in der Nachkriegszeit erfährt Rita den Ausschluss aus der SED, durch einen gescheiterten Diskurs. Außerhalb der Parteiarbeit setzte sie sich viel für Frauenrechte ein, eine marxistische Analyse von Frauen und Arbeit im Kapitalismus als geschulte Ökonomin. 1957 wurde sie wieder aufgenommen in der SED, mit stetigen Versuchen den Realsozialismus zu verändern. Mit der NÖS unter Honecker resignierte die 70-Jährige in ihrer Arbeit; ihr Diskurs über Wirtschaftsgestaltung innerhalb des Sozialismus endete. Sie widmete sich in ihren letzten Jahren der Lagerarbeitsgruppe Ravensbrück (LAG) zur Erinnerung des kommunistischen Frauen-Widerstandes.

Und auch hier zeichnet sich in der BRD als auch der DDR ein verzerrtes Bild dieses Widerstandes. Die DDR nutzte die Frauen als Personifikation des Widerstandes für ihre Außenwirkung, zeichnete sie jedoch immer wieder als verletzbare Frauen, die hilflos dem Krieg ausgesetzt waren.

Rita verstarb 1993 in hier in Berlin.